Einst lebte hoch in den Bergen in einem kleinen Dorf ein freundliches Volk. Die Einwohner lächelten ständig, waren nett und offen auch zu Fremden, die herzlich aufgenommen und fürstlich bewirtet wurden. Diese Fröhlichkeit hatte einen Grund. Niemals sah man einen Menschen ohne Kerze durchs Dorf laufen. Es waren wunderschöne Kerzen, von Kinderhand verziert. Wenn sich auf dem Marktplatz mehrere Menschen trafen, erstrahlte der Platz in hellem Schein und bald schon wurde gesungen, getanzt und gefeiert bis in die Nacht. Kehrten die Menschen danach müde und glücklich heim, trugen sie eine neue Kerze bei sich, das Geschenk eines Freundes, Nachbarn oder Verwandten. Jeden Tag beschenkten sie sich gegenseitig, zündeten neue Lichter an und trugen sie auch zu den Alten und Kranken, die nicht mitfeiern konnten, um deren Schmerz und Kummer zu lindern. Doch hoch oben auf dem Gipfel wohnte ein alter griesgrämiger Mann ganz allein – schon seit vielen Jahren. Er mochte weder Menschen, noch Licht oder Freude. Wenn er von seinem Bänklein vor dem Haus auf das Lichtermeer des Dorfes hinabschaute, ärgerte er sich über diese Verschwendung. Wenn er ins Dorf ging, um Vorräte zu besorgen, schlich er um die Hausecken, um ja keinem Kerzenträger zu begegnen. Eines Tages begegnete er trotzdem einem kleinen Mädchen. Dieses freut sich so sehr, diesen seltenen Gast zu treffen, dass es ihm seine allerschönste Kerze schenken wollte. Aber der Alte lehnte ab und mahnte das Kind, mit dem Schenken vorsichtig zu sein. Denn bald würde es kein Licht mehr geben und dann würde es dunkel und kalt werden. Dieser Ratschlag verbreitete sich im Dorf wie ein Lauffeuer und die Menschen begannen tatsächlich, sparsamer mit ihren Kerzen umzugehen. Sie beschenkten nur noch ihre engsten Freunde und auch das nahm von Woche zu Woche ab. Allmählich erlosch der Glanz des Dorfes und mit ihm verschwanden auch die fröhlichen Gesichter der Einwohner. Sie wurden immer grimmiger, versammelten sich nicht mehr und erzählten sich keine Geschichten mehr. Sie vergaßen ihre Lieder, Tänze und Feste. Einsam und traurig saßen sie vor ihrer letzten Flamme. Als auch diese erlosch, wurde es stockfinster. All das beobachtete der alte Mann von seinem Gipfel aus. Und auch ihn machte die Finsternis traurig. Denn eigentlich hatte er sich in seinem Innersten über die Lichter im Dorf gefreut. Nun suchte er in einem uralten, verstaubten Buch nach Rat. Als er es ausgelesen hatte, lief er in den Wald, sammelte trockenes Holz und entfachte ein großes Feuer. Unten im Dorf kamen alle Menschen aus ihren Häusern und schauten erstaunt zum Gipfel hinauf. Sie konnten nicht glauben, dass ausgerechnet von der Hütte des alten, grimmigen Mannes so ein Glanz ausging. Eilig suchten sie Fackeln, Laternen und Kerzen zusammen und machten sich gemeinsam auf den Weg zum Gipfel. Unterwegs begannen sie zu reden. Oben angekommen entzündeten sie ihre Fackeln, Laternen und Kerzen. Es entstand ein riesiges Lichtermeer. Vor lauter Glück begannen alle zu singen und zu tanzen. Sie feierten, bis das große Feuer erloschen war. Überglücklich kehrten sie in den frühen Morgenstunden in ihr Dorf zurück. Sofort schenkten sie ihre wieder entzündeten Kerzen den Alten und Kranken, die nicht auf den Gipfel kommen konnten. Und auf einmal kehrte auch das Lächeln in die Gesichter der Dorfbewohner zurück. Sie trafen sich wieder, erzählten sich Geschichten, sangen, tanzten und feierten. Sehr viele Kerzen wurden in den ersten Tagen vergeben, und die Lichter im Dorf verloschen nie mehr. Das Dorf erstrahlte bald wieder in seinem alten Glanz. Ich wünsche allen fröhliche Weihnachten voller Kerzenschein und ein glückliches, gesundes Jahr 2016!
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AutorHans-Jürgen Steiner befasst sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit den Bereichen Sport, Gesundheit und Ergonomie. Als ausgebildeter Personal-, Faszien- und Athletik-Trainer sowie zertifizierter Ergonomie-Instruktor arbeitetet er erfolgreich mit Privat- und Firmenkunden als auch Leistungs- und Hobby-Sportlern in Individual- und Teamsportarten. Kategorien
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März 2020
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